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Ausgabe 2/2023 - Insolvenzen und Vermeidungsstrategien


Insolvenzen in der Pflegebranche – Vermeidungsstrategien in der täglichen Arbeit

Mit Wegfall des Pflegerettungsschirms zum 30.06.2022 und der Einführung der Tariftreueregelungen zum 01.09.2022 haben in kurzer Zeit zwei einschneidende Ereignisse für die finanzielle Situation in Pflegeeinrichtungen stattgefunden. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine schnellten dann zudem noch die Verbraucherpreise, insbesondere für Energie, wahnsinnig in die Höhe. Ein Teufelskreis aus schmelzenden Rücklagen, Erhöhungsverlangen, ablehnenden Haltungen von Pflegekassen und Bewohnern sowie sinkenden Auslastungen war die Folge.   

Nun geistert das Thema „Insolvenz“ seit vielen Wochen durch die Fachpresse und ist sogar in den allgemeinen Medien angekommen. Auch wenn Aufmerksamkeit und ein grobes Verständnis über den allgemeinen Kostendruck in unserer Branche zu begrüßen sind, so hätten wir alle gemeinsam gerne auf die Umstände verzichtet. Die warnenden Rufe der privaten Leistungserbringer verhallten zu lange in den Gängen der Kreis-, Landtage und des Bundestages. Nun ist die Ratlosigkeit in der Politik groß. „Wir schmeißen doch schon mit Geld um uns, das muss doch reichen!“ So oder so ähnlich klingen die Aussagen der Pflegepolitiker. Das Gegenteil ist der Fall: Planwirtschaftliche Ansätze stehen der Entwicklung der Branche im Weg und Unternehmer, die sich über viele Jahre mit guter Arbeit Vertrauen erarbeitet haben, werden unter dem Generalverdacht der Geldgier gegängelt oder geben auf. 

Trotz der derzeit angespannten Lage und dem Ausbleiben einer wirklichen Antwort auf die aktuellen Probleme durch die Politik, möchten wir Ihnen Wege aufzeigen, die auch in Zukunft eine sichere Perspektive bieten. 

In den letzten Wochen haben wir stark nachgefragte Informationsveranstaltungen zum Thema „Wirtschaftlichkeit auch in Zukunft sichern To Do‘s für ambulante, teil und vollstationäre Träger“ abgehalten. Nachfolgend wollen wir die Kernthemen der Schulungen kurz zusammenfassen: 

  • Regelmäßige Verhandlung / Kalkulation von Pflegesätzen 

  • Regelmäßige Verhandlung / Kalkulation von gesondert berechenbaren Investitionsaufwendungen 

  • Kosten- und Forderungscontrolling 

 

Pflegesatzverhandlungen 

Im Bereich der Pflegesatzverhandlungen sind die Voraussetzungen in den einzelnen Bereichen sehr unterschiedlich. Im ambulanten Bereich liegt das Hauptproblem in den meisten Bundesländern darin, dass es oftmals weder geeinte Kalkulationsunterlagen gibt noch eine entsprechende Verhandlungskultur bei den Kostenträgern vorhanden ist. Dies erschwert ein Abweichen der pauschalen Vergütungsstrukturen oftmals.  

Im teil- und vollstationären Bereich sind in der Regel sowohl geeinte Kalkulationsunterlagen als auch entsprechende Verhandlungsprozesse bei den Kostenträgern vorhanden. Allerdings existieren auf Grund der unterschiedlichen Vorgehensweise in den einzelnen Bundesländern ganz unterschiedliche Probleme. Zum Teil wird durch die extreme Anforderung von Nachweisen die Verhandlung verlängert und die Kalkulation von „Puffern“ oder Verschiebung zwischen den Kostenpositionen deutlich erschwert. In vielen Teilen beeinträchtigen eine unsachliche Verhandlungsführung der Kostenträger, das Missachten von gesetzlichen Vorgaben (z.B. Abweichung im regional üblichen Entgeltniveau im Durchschnitt bis +10% = wirtschaftlich) und die ständige Kappung von Kosten mit einem künstlich niedrig gehaltenen externen Vergleich das Verhandlungsgeschehen deutlich. 

Deshalb ist es umso wichtiger zu wissen, wie genau die Pflegesatzverhandlungen in dem jeweiligen Bundesland funktionieren, wo aus Sicht der Kostenträger die Wirtschaftlichkeitsgrenzen liegen und wie man eine Verhandlung in diesem Rahmen vorbereitet.  Zudem bildet eine frühzeitige Vorbereitung und Aufbereitung der Daten und Unterlagen, sowie eine stichhaltige Nachweisführung die Basis für eine erfolgreiche Verhandlung-  

 

Verhandlung gesondert berechenbarer Investitionsaufwendungen 

Die Herangehensweise der einzelnen Bundesländer ist sehr unterschiedlich, so dass wir in diesem Format auf die Erläuterung der Verfahren verzichten müssen. Doch egal ob Verhandlungen mit dem örtlichen Sozialhilfeträger nach §75ff SGB XII, Anträge für geförderte Einrichtungen nach Landesrecht oder ähnliche Sonderkonstellationen, in der Vergangenheit war für viele Träger die Position „Invest“ nur in untergeordneter Rolle relevant. Im vollstationären Bereich wurden Defizite durch steigende Selbstzahlersätze aufgefangen, im ambulanten Bereich teilweise gar keine Investitionskostenvereinbarungen abgeschlossen. Nicht zuletzt der Kostendruck im Pflegesatzbereich führt nun dazu, dass auch dem Budget „Invest“ ein immer stärkerer Fokus zu schenken sein wird. Defizitäre Sozialhilfesätze sollten auf dem Verhandlungswege nicht mehr „einfach hingenommen“ werden. Der vielerorts zitierte „externe Vergleich“ kann nur dann nachhaltig wirtschaftlich angehoben werden, wenn möglichst alle Träger ihren Bedarf deutlich machen. 

Wir können und wollen an dieser Stelle nicht verschweigen, dass der Verhandlungswille der Sozialhilfe häufig nur sehr gering ausgeprägt ist und das Verfahren durchaus eine Schiedsstelle oder weitere Instanzen beinhalten kann.  

Viele Bundesländer setzen zudem höchstrichterliche Rechtsprechung insbesondere in den Bereichen Grundstücksrefinanzierung und Eigenkapital nicht um.  

Letztlich hilft auch ein Blick über die Ländergrenzen hinweg: So hat das Landessozialgericht NRW in mehreren aktuellen Urteilen die Haltung der Träger gestärkt und ein bundesnahes Forschungsinstitut im Auftrag des Gesundheitsministeriums NRW im Jahr 2020 realistische m²-Werte für Neubauten ermittelt.  

 

Kosten- Forderungscontrolling 

Quersubventionierungen sind nicht gestattet, jedes Budget steht für sich allein. Dieses Mantra war bereits zu Zeiten des Bundessozialhilfegesetzes gültig und doch war die gelebte Praxis seitdem eine Andere. Unter der Prämisse „sachgerechte Mittelverwendung“ wurde das verhandelte Gesamtbudget zugunsten der Einrichtung eingesetzt. Nun wird durch die Einführung des GVWG der größte Block, die Personalaufwendungen Pflege, zum durchlaufenden Posten. Jahrelang auskömmliche und für Bewohner verträgliche Pflegesätze sind in die Höhe geschnellt und trotzdem gerät das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben immer mehr in Schieflage. 

  • Auf der Einnahmenseite erreichen uns vermehrt Meldungen, dass Sozialhilfeträger und auch Pflegekassen ihre Rechnungen nicht mehr begleichen. Sowohl der Bundesgerichtshof (Az. III ZR 304/14, BeckRS 2015, 10709) als auch das Bundessozialgericht [Urteile vom 23.05.2006 (Az: B 3 KR 6/05 R) und 03.08.2006 (Az: B 3 KR 7/06 R)] haben in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich klargestellt, dass sowohl Sozialhilfeträger als auch Kranken- und Pflegekassen in Verzug geraten können und entsprechend Verzugszinsen zu zahlen haben. Bitte setzen Sie sich in entsprechenden Fällen mit Ihrem Steuer- oder Rechtsberater in Verbindung um etwaige Ansprüche geltend zu machen.  

  • Auf der Kostenseite hilft zunächst nur das intensive Beschäftigen mit der eigenen Einrichtung. Ausgansfragen könnten sein:  

    • Wurde eine Budgetierung der verhandelten Entgelte vorgenommen?  
    • Haben Sie bereits ein Controllinginstrument implementiert? 
    • Erbringen Sie Leistungen, für die keine Entgelte vorgesehen sind? 
    • Werden überqualifizierte und damit zu teure Kräfte eingesetzt? 

Diese Liste ist nicht abschließend und soll als Denkanstoß dienen. Gerne stehen wir für detaillierte Analysen an Ihrer Seite. Sollten Sie Interesse an einer Pflegesatzverhandlung, Investitionskostenverhandlung oder der Implementierung eines Controllings haben, kontaktieren Sie uns. 

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